P. Hadrian W. Koch ofm

Predigt von P. Hadrian W. Koch ofm

anlässlich des 40-jährigen Kirchweihjubiläums

der Dreifaltigkeitskirche in Lohra

über Joh 3,16-18

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Vielleicht ist es der schönste Satz im Evangelium, oder sagen wir besser: die wichtigste Offenbarung über das Geheimnis, das wir Gott nennen: Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat (Joh 3, 16). Die Liebe schenkt. Gott schenkt uns seinen einzigen Sohn. Eigentlich schenkt er sich damit selbst. Gott hat jetzt ein menschliches Gesicht für uns: Jesus von Nazareth. Und wozu dieses Geschenk: damit jeder, der glaubt, das ewige Leben hat. Und wie um einem Missverständnis vorzubeugen sagt Jesus, wozu er nicht gekommen ist: er ist nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten.

Diese Worte sind Teil eines sehr vertraulichen Nachtgespräches zwischen Jesus und dem Ratsherrn Nikodemus. Dieser war zu ihm gekommen, um mit ihm über das neue Leben, das neue Menschsein zu sprechen. Bei diesem vertraulichen und für Nikodemus sehr aufregenden Gespräch hebt Jesus mit wenigen Worten alle gängigen theologischen, philosophischen und mystischen Ideen von Gott aus den Angeln: was Menschen über Gott denken, wie er sei und wie er eigentlich handeln müsst.

Zwei Worte sind es, die die Beziehung zwischen Gott und den Menschen – allen Menschen – definieren: das Wort Liebe und das Wort Leben. Beide erhalten bei Jesus einen neuen Klang, denn auch damals war das Wort Liebe eines der geschundensten Wörter, und auch damals konnte man sich unter Leben eigentlich nicht mehr vorstellen als ‚die Krankheit zum Tode’ (Sören Kierkegaard). Jesus hat in seinem Leben gezeigt, was er mit Liebe meint, und er spricht vom ewigen Leben, von Leben, das bleibt, was es ist: Leben.

Martin Luther nennt diese Stelle im Johannesevangelium ‚das Evangelium im Kleinen’, weil hier in kurzen und wenigen Worten die unglaubliche Dimension der Liebe Gottes aufgezeigt und deren heilende Konsequenz für die Geschichte der Menschheit deutlich wird.

Und da ist noch das andere Wort, es ist sehr ernst und sehr wichtig: Wer an Jesus glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet…

Was heißt glauben in unserer Welt? In der Bibel scheint es einfach zu sein, denn oft ist glauben mit spektakulären Wundern verbunden. Aber wie ist das bei uns, die wir uns für ganz normale Menschen halten?

Theorien über den Sinn unserer Welt und unserer Geschichte gibt es viele. Da ist die rede von einer ganz organischen Entwicklung zum immer Besseren und Höheren bis hin zur Einheit in und mit Christus (Teilhard de Chardin). Es gibt aber auch die Schwarz-Weiß-Zeichnung, dass die Weltgottes und die Welt der Menschen ihre getrennten Wege geht (Karl Rahner) und dass am Ende die Kirche wieder dort sein wird, wo sie begonnen hat: in den Katakomben. Nun ist das eine nicht allein richtig, und das andere nicht notwendig falsch. Beide Auffassungen zeigen etwas von dem religiösen Klima, in dem wir in Deutschland und in Europa leben. Dieses Klima hat sich in den letzten 40 Jahren radikal gewandelt.

Das, was wir als Welt bezeichnen, findet seinen eigenen Weg – auch ohne Gott. Die Menschen sind erwachsen geworden, aufgeklärt, und haben manche Götter entthront. Das Sakrale ist profan und das Profane sakral geworden. Nichts ist mehr so, wie es einmal war – auch der Glaube ist anders geworden.

Was heißt das? Entweder wir glauben in dieser Welt oder wir glauben gar nicht. Gott ist in dieser Welt Mensch geworden, wie könnten wir versuchen, ihm in einer anderen, einer Scheinwelt, begegnen zu wollen?

Was ist also glauben? Ich frage mich und ich frage Sie?

Glauben ist Ja-sagen zu Gott – hier und jetzt, wo die Fragen oft sehr ätzend sind, wo die Not zum Himmel schreit, wo Gott nicht zu existieren scheint.

Glauben heißt mit einer Sehnsucht im Herzen leben, auch wenn diese Sehsucht oft Schmerz bereitet. Wer glaubt, der schaut nicht an den Fakten unserer Welt und ihrer Geschichte vorbei, aber er kann mit Albert Einstein sagen: Fakten interessieren mich nicht, mich interessieren Zusammenhänge. Deshalb sieht ein Mensch, der glaubt, auch in den Absurditäten des Lebens noch das Rohmaterial für ein sinnerfülltes Leben.

Glauben ist etwas für wahr und richtig zu halten, was ich selbst nicht nachprüfen, wohl aber mit meinem eigenen Leben unterschreiben kann. Glauben ist nie einfach, nie ohne Risiko, nie ohne Vertrauen möglich.

Glauben hat viele Aspekte. Man kann Glauben erfahren wie Abraham oder Moses. War es für sie leichter an Gott zu glauben als für uns heute? Von wem von uns wurde je verlangt, sein Kind zu töten? Wer von uns hat je Gottes Stimme aus einem brennenden Dornbusch gehört? Aber wenn es Gott gibt, dann ist er heute so hier, wie er damals dort war - in der Wüste, am Sinai. Wer Augen hat, die sehen, der sieht auch heute die Opfer; und wer Ohren hat, die hören, der hört auch heute die Stimme, die vor den Anspruch stellt: Ich bin der Herr, dein Gott… Gott ist immer hier und jetzt, oder er ist nicht und nirgends. So radikal ist Glauben, so herausfordernd.

Vielleicht haben wir zu lange etwas Falsches geglaubt. Lebendiger Glaube lässt sich nicht ‚einwecken’ in Formeln und Sätzen; jede Generation muß ihren Weg des Glaubens neu und selbst gehen – von Grund auf. Jede Generation muß ihren Weg des Glaubens gehen – muß zu Grunde gehen, wenn sie nicht zugrunde gehen will.

Vielleicht haben wir unseren Kindern mehr Steine als Brot gegeben als sie Hunger hatten. Unser Glaube war oft wie ein Stein, aber die Fragen unserer Kinder ging nach Brot.

Glauben heißt Ja-sagen zu dem, was ist, nicht zu dem, was sein sollte oder was so schön wäre, wenn…

Und das, was ist, das entfremdet sich jeden Tag mehr von unserm Glauben.

Beginnen wir den Glauben neu zu buchstabieren; lernen wir neu sein ABC. Beginnen wir neu nach Gott zu fragen – und zwar mit allen Menschen, die noch offene Fragen haben und die noch staunen können.

Heute feiern wir das Geheimnis unseres Gottes, der sich nicht in Sätzen und Dogmen offenbart, sondern in lebendigen Menschen und in unserer konkreten Geschichte.

Wir feiern und bekennen. Dass Gott Vater ist; er ist alles in allem und allem voraus.

Wir feiern und bekennen, dass Gott Sohn ist; er ist Geschenk, er ist ‚Immanuel’ – Gott mit uns.

Wir feiern und bekennen, dass Gott Geist ist, Heiliger Geist; er ist in uns und durchweht die Geschichte.

Wir feiern in unserem Glauben Gottes Außenseite und sein Innenleben: was er für uns und was er in sich ist: Gott ist einzig, aber nicht einsam. In sich ist er Liebe, das heißt Beziehung. Für uns ist er Liebe, menschgewordene Liebe in Jesus von Nazareth; bleibende Liebe überall im Heiligen Geist.

‚Du sollst dir von Gott kein Bild machen’, dieses Gebot wollen wir nicht übertreten; aber wir dürfen uns Gott zum Bild nehmen: seine Einzigartigkeit, seine Liebe, seine Beziehung, seine Treue, seine Lebendigkeit, seine Universalität. Werden wir immer mehr zu dem, was wir sind: Ebenbild Gottes.



Hadrian W. Koch ofm, Niederwaldstrasse 1, 63538 Großkrotzenburg, hadrianwk@gmail.com


Wir danken Pater Hadrian W. Koch ofm für die freundliche Genehmigung!

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